WOHIN STEIGEN DIE MÄRKTE NOCH? KORREKTUR ODER NEUE ALLZEITHOCHS? – ANALYSE

dezember

Es ist schon etwas paradox: Die saisonalen und geopolitischen Umstände sprechen für alles, nur keine steigenden Kurse und trotzdem klettern die Märkte von einem Allzeithoch zum nächsten. Aber wann ist Schluss, beziehungsweise wird es überhaupt so etwas wie eine Korrektur geben?

Den ersten Teil der Frage siegessicher zu beantworten, wäre jedoch weder realistisch, noch glaubwürdig, denn niemand ist schlauer als der Markt und an dem Erproben, solche „Crashs“ vorherzusagen, sind schon genug andere gescheitert. Aber, um auf den zweiten Teil der Frage zu antworten – Ja, es wird eine Korrektur geben; und das nicht etwa aufgrund von Wissensanmaßungen, sondern weil das der Kreislauf der Märkte ist.

gesamtbild der märkte – wie sieht die aktuelle lage aus?

Sowohl der S&P 500, als auch der Dow Jones und der DAX erreichen diese Woche neue Rekordstände und notieren höher denn je. Auch wenn man sich immer wieder bewusst machen muss, dass die Börse weder Vergangenheit, noch Gegenwart, sondern alleinig die Zukunft handelt, scheinen die Kurse aufgrund der aktuell vorliegenden Konjunkturdaten doch schon weit höher als nachvollziehbar.

Die Wirtschaftsdaten für den Monat September waren durchaus befriedigend und haben die Märkte, welche durch Rezessionsangst getrieben wurden, wieder beruhigen können. Vor allem der Arbeitsmarkt war sehr robust und sowohl die JOLTS Job Openings, als auch die Initial Jobless Claims, Non-Farm Payrolls und die Unemployment Rate fielen besser als erwartet aus. Neben positiven Arbeitsmarktdaten und soliden Wirtschaftszahlen gab es dann aber eben noch die Inflationsrate für den September: Und diese fiel mit 2,4% etwas heißer aus als zunächst prognostiziert.

Märkte voller externer risiken

Anknüpfend an die sich wieder androhende entfachende Inflation gibt es noch einige weitere Risiken, welche die starken Anstiege schwer nachvollziehbar erscheinen lassen:

Geopolitische konflikte

Es ist kein Geheimnis, dass wir zwei primäre militärbestimmte Konflikte haben: Ukraine-Russland und der anhaltende Nahost-Konflikt. Vor allem der Nahost-Konflikt hat in den letzten Wochen für eine unruhige Stimmung gesorgt. Der Grund dafür – die Befürchtung, dass Israel die Öl- oder Atomanlagen des Iran attackieren würde. Israel habe den USA jedoch zugesichert, dies zu unterlassen, was für Erleichterung im Weißen Haus und an den Märkten gesorgt hat.

Bei beiden Konflikten muss man die wirtschaftlichen Risiken isoliert betrachten; fernab jeder humanitären Vorfälle. Und diese wirtschaftlichen Risiken sehen die Märkte aktuell nur begrenzt. Also auch, wenn es weitere Eskalationen gäbe, würden die Märkte wahrscheinlich nach kurzen Reaktionen wieder zum „normalen Alltag“ zurückkehren, vorausgesetzt, dass es keine Indizien für direkte wirtschaftlichen Folgen gibt.

Gold und sein höheflug

Dass die traditionellen Märkte nicht stark auf das globale Kriegsgeschehen reagieren, ist die eine Sache, aber der konträre und widersprüchliche Sachverhalt, dass Gold ebenso in die Höhe schießt, ist mehr als nur ungewöhnlich.

Denn es ist kein Geheimnis, dass Gold und der SPX sowie auch andere Indizes eine negative Korrelation aufweisen. Nicht umsonst wird Gold auch als Krisenwährung bezeichnet. Diese negative Korrelation ist jedoch binnen der letzten 12 Monate ausgesetzt und so stellt sich die Frage, wann die Jahrzehnte lange Gesetzmäßigkeit wieder in Kraft gesetzt wird und wer schlussendlich den Kürzeren zieht.

Warum der Goldpreis momentan so ansteigt, kann kein Experte mit hundert prozentiger Sicherheit sagen, aber es gibt einen Faktor, welcher für die Zukunft von bedeutender Relevanz sein wird und die Machtverhältnisse vermutlich um 180 Grad drehen könnte: Das Misstrauen in den USD. Denn so wie es aussieht, verliert momentan die USA ihre Stütze als Weltwährung. Die vermögenden und entscheidenden Player aus dem Osten stoßen nämlich innerhalb der letzten Jahre und vor allem nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs und der damit verbundenen Einfrierung russischen Vermögens vermehrt US-Staatsanleihen ab. Dafür kaufen die Zentralbanken der BRICS dann Gold. Mehr zu dem Thema in einem extra Beitrag.

technische indikatoren verweisen auf umkehr der märkte

Betrachtet man verschiedene Chart-Indikatoren, wie den RSI (Relative Strength Index) und den MACD (Moving Average Convergence/Divergence ), zeigen diese auf Trend-Umkehr.

Auch die Tatsache, dass NASDAQ und Russel 2000 Nachholbedarf haben, impliziert die Notwendigkeit eines baldigen Zusammenlaufens des breiten Marktes. Auch sind es nur noch 60%, welche über dem 20-Tagesdurchschnitt notieren.

Quelle: edition.cnn.com

Auch der Fear & Greed Index ist nun auf 75 Punkte umgeschlagen, womit wir uns in einem sehr überhitzten Bereich befinden.

Märkte weit höher als Gewinne

Quelle: Mario Lochner

Kommt man nun auf Europa zu sprechen und wirft einen Blick auf den EURO STOXX 50 (SX5E), so sieht man auch dort hohe Kurse. Jedoch befinden sich die erwarteten Gewinne für das dritte Quartal auf einem 2-Jahres-Tief. Diese Divergenz ist ein Sinnbild für das Abweichen von realen Zahlen und Zukunftserwartungen, welche die Börse verkörpert. Auch in den USA haben wir ordentliche Zahlen gesehen – letzte Woche zunächst primär aus dem Bankensektor. Die Gewinne stehen trotzdem in keinem Verhältnis zu den Kursen.

Präsidentschaftswahljahr

Quelle: Markus Koch

Es dürfte allerseits bekannt sein, dass wir am 5. November einen neuen US- amerikanischen Präsidenten oder eine neue amerikanische Präsidentin sehen werden. In solchen Wahljahren ist es üblich, dass die Volatilität ansteigt und aufgrund einer unsicheren Zukunft Gewinne rausgenommen werden. Ebenso wie der September, bleibt der Oktober jedoch grün und es zeigt sich keinerlei Spur von Angst oder Verunsicherung.

Die Frage, wer nun Präsident wird, ist aufgrund wirtschafts- und geldpolitischen Entscheidungsmustern eine zentrale. Langfristig dürfte weder Trump, noch Harris ein Positivum für die Wallstreet sein und doch scheinen sich die Anleger noch nicht wirklich mit der langfristigen Zukunft zu beschäftigen- es wäre zugegebenermaßen auch keineswegs förderlich.

Es ist anzunehmen, dass sich die Märkte nach dem Wahlergebnis neu positionieren werden. Trump dürfte dort kurzfristig bullischere Stimmung auslösen, so Analysten. Aufgrund von Isolationierungsplänen werden europäische Märkte deutlich trüber auf einen Wahlsieg Trumps reagieren.

alle all-in – cashlevels auf rekordtief

Quelle: Markus Koch

Laut Goldman Sachs gibt es eine sehr interessante Variable. Denn Anfang Oktober war das Cash-Level innerhalb der amerikanischen Märkte auf einem Rekordtief von 1,5%. Dementsprechend ist die ganz große Frage: Wenn doch alle schon mit fast dem ganzen Kapital investiert sind, wo sollen bitteschön noch höhere Kurse herkommen? Mit dieser Information im Hinterkopf fällt es einem immer schwerer neue Rekorde begründen zu können. Es ist natürlich richtig, dass auch ausländische Investoren immer mehr in den Markt eintreten, aber die größten Investmentgesellschaften sind eben schon lange investiert.

Scott Rubener – SPX über 6.000 Punkte; bis Jahresende!

Eine Größe von Goldman Sachs hat nun eine sehr steile These formuliert: Er sieht den SPX gegen Jahresende über den 6.000 Punkten!

Entgegen der Anzahl von korrekturverweisenden Argumenten bringt Scott Rubner das marktpsychologische Phänomen der „FOMU“ – Fear of materially underperforming zur Sprache. Jetzt, wo der SPX unaufhaltbar nach oben klettert, sind entgegen jeglicher fundamental begründbaren Zweifel alle Institutionen praktisch gezwungen, aufgrund von Renditekämpfen weiter dring zu bleiben oder einzusteigen. Das sorge für zusätzliche Kapitalströme.

unüberschaubare märkte

Wir haben es zweifellos mit einem nicht abschätzbaren Markt zu tun, welcher auf keinerlei Risikofaktoren reagiert- und die haben wir genug. Es scheint so als ob – egal welche Nachricht gebracht wird – sie immer bullisch sei. Ein Beispiel:

Anfang des Jahres haben die Anleger gejubelt, wenn die Wirtschaftsdaten schlecht waren – Zinssenkungshoffnungen – Markt ist gestiegen. Heute sind die Daten gut und die Anleger jubeln – Rezessionsgefahr sinkt – Markt steigt.

Jeder, der sagt, es müsse so und so kommen, lügt. Auch wenn es keinen Zeitpunkt gibt, an dem jemand mit Sicherheit weiß, was kommt, ist die momentane Situation so unkalkulierbar wie selten zuvor.

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, der Markt preist eine deutliche produktivere und rentablere Wirtschaftsentwicklung ein, als sie jetzt zu sehen ist. Die Gewinne rechtfertigen bis dato keinesfalls Kursanstiege dieser Größenordnung und die externen Faktoren lassen rein fundamental die aktuelle Situation nicht erklären.

ABER der Markt steht da, wo er steht und das aus einem guten Grund. Es gibt Euphorie, welche sich aus neuer Technologie begründet. Das Problem liegt nicht in der Bewertung, sondern in den Ergebnissen, welche die Zukunftsaussichten bestätigen oder gar begründen würden- sie sind schlicht und ergreifend noch nicht zu sehen.

Und trotzdem kann man so schlau sein, wie nur möglich, jede Woche den Crash prophezeien, sich auf jeden fundamentalen Faktor stützen, der gegen diesen Anstieg spricht; man wird leer ausgehen und Gewinne verpassen. Das ist die Realität.

Es wird eine Korrektur geben, nicht weil es einen Crash geben muss, sondern weil das die Natur des Marktes ist. Vielleicht ist die Korrektur so abrupt und dynamisch, dass sie in einem Crash endet, aber es wäre aus der Luft gegriffen, das von vorne herein zu behaupten.

Nun stellt sich nur die Frage was wann passieren muss, dass wir diese Bewegung hin zur Realität sehen werden.

Wie geht es mit den Märkten weiter?

Es gibt 3 Szenarien: Kurse steigen, Kurse sinken oder Kurse stagnieren. Nicht mehr und nicht weniger.

Kurse steigen

Damit die Kurse steigen, muss meines Erachtens Folgendes in etwa passieren- gute Quartalsberichte, sinkende Inflation, stabile Wirtschaft, eine Fed, welche die Zinsen senkt und ein Präsident, welcher die Wirtschaft weiter ankurbelt

Der fade Beigeschmack ist, dass die USA sowie andere Nationen noch ein Problem bezüglich der Staatsverschuldung haben. Und Wirtschaftsunterstützungen sowie sinkende Zinsen laufen konträr zu dieser. Die Anleger müssen alle weiterhin sehr positiv eingestellt sein und das Wichtigste: Es dürfen keine akuten externen Ereignisse passieren, welche die Rally von außerhalb gefährden könnten.

Denn das Abwärtspotential ist aus fundamentaler Ebene gegeben; in vergangen Krisen hat es nur immer einen Auslöser geben müssen, um jenes tatsächlich auszulösen. Aus diesem Grund sind die 6.000 beim SPX bei einem tadellosen und weiterhin „ignoranten“ Umfeld möglich.

Kurse sinken

Wenn dann gehe ich von einer sehr dynamischen Gegenbewegung aus. Es wird vermutlich sehr trübe Wirtschaftsdaten oder erneut sehr heiß aufflammende Inflationsdaten geben müssen, um diese auszulösen. Aus dem KI-Hype, welcher extrem in der ersten Hälfte des Jahres zu spüren war, mussten wir lernen, dass der Markt die entscheidungstragenden Faktoren gerne einmal komplett neu mischt.

Dementsprechend ist die Voraussetzung für eine größere Korrektur vermutlich ein entfachender Konflikt, welcher die Wirtschaft direkt oder indirekt angreift. Im Fokus steht der Nahost-Konflikt, jedoch auch Taiwan-Überraschungen sollten nicht abgeschrieben werden.

kurse stagnieren

Dieses Szenario ist vermutlich das unwahrscheinlichste. In einem so euphorischen Marktumfeld ist jedes Nicht-Extrem ausgeschlossen. Allerlei Daten werden momentan ziemlich stark interpretiert, weshalb eine Stagnation nur vorübergehend sein wird und aller Wahrscheinlichkeit nach nicht bis zum Jahresende andauern wird. Dafür sind zu viele Spannungsfelder intakt.

Ganz oder gar nicht…

Jetzt heißt es ganz oder gar nicht. Carry-Trades-Breakdowns haben gezeigt, dass der Markt aufgrund technischer Revisionen in dem gegebenen Marktumfeld wieder regenerieren konnte. Der Fakt, dass fast jeder US-Haushalt sowie jedes Investmenthaus nahezu mit allem Kapital in den Aktienmärkten investiert ist, könnte plötzliche Korrekturen sehr schnell katalysieren und birgt definitiv ein großes Risiko.

Und trotzdem sind die Märkte, da wo sie sind. Und wenn sie jetzt schon bei 5.700 Punkte stehen, könnten sie nach Abflachung von den aktuellen Spannungsfeldern sicherlich auch die 6.000 knacken.