Die USA ist hochverschuldet- eine Tatsache, welche kein Geheimnis sein dürfte. Der „Venture Capitalist“ der Welt erzielte jedoch trotz hoher Verschuldung über viele Jahre hinweg einen Nettogewinn im Ausland. Eine entscheidende Variable, dessen Vorzeichen sich in den letzten Jahren entscheidend verändert hat. Es ist ein Thema, über welches in öffentlichen Debatten in Anbetracht der ungemeinen Wichtigkeit viel zu wenig diskutiert wurde. Es war nicht zuletzt Prof. Dr. Gabriel Felbermayr, der bei seinem Vortrag beim Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik auf die verheerenden Ausmaße für Amerikaner aufmerksam machte.
Was es mit der Auslandsverschuldung auf sich hat
Wie vermutlich bereits Einige wissen, hat die USA seit Jahrzehnten ein negatives Leistungsbilanzsaldo, was bedeutet, dass sie mehr importieren, als sie exportieren. Um diesen überschüssigen Konsum zu finanzieren, verschulden sie sich im Ausland.
Das Ergebnis ist eine hohe Bruttoauslandsverschuldung (rote Linie), welche sich derzeit auf bereits über 200 Prozent des amerikanischen Bruttoinlandprodukts beläuft. Dieser Bruttoverschuldung im Ausland, mit welcher der Konsum finanziert wird, steht ein deutlich geringeres Auslandsvermögen entgegen, welches sich seit 2000 immer zwischen 100 % und 150 % des BIP bewegte (grüne Linie).

Quelle: Prof. Dr. Gabriel Felbermayr: Ein Handelsabkommen mit den USA unter Trump?- IWP
Aber was bedeutet das jetzt genau? Die Differenz zwischen dem Auslandsvermögen und den Auslandsschulden ist die Nettoinvestitionsposition. Da die Verschuldung im Ausland größer als das Vermögen ist, ist diese Nettoposition trivialerweise negativ.

Quelle: Prof. Dr. Gabriel Felbermayr: Ein Handelsabkommen mit den USA unter Trump?- IWP
Aber warum soll das aufeinmal ein Problem sein?
Nun stellt man sich zurecht die Frage, wie und warum die USA trotz einer jahrzehntelangen negativen Nettoinvestitionsposition auf einmal Probleme bekommen würden, beziehungsweise warum sie davor nicht bereits welche hatten. Dazu ist anzuführen, dass der Titel „Venture Capitalist der Welt“ nicht von irgendwo her kommt. Denn trotz hoher Defizite hat sich die USA lange Zeit zwei „Tricks“ zunutze machen können, wodurch sie verdienten, obwohl sie verschuldet waren.
- Der Zinsvorteil: Die Vereinigten Staaten konnten sich am internationalen Kapitalmarkt sehr günstig verschulden, da sie für ausländische Anleihen niedrige Zinsen zahlen mussten. Gleichzeitig investierten sie ihr Kapital im Ausland mit deutlich höheren Renditen. Diese positiven Zins-Spreads führten dazu, dass die USA netto Kapitalerträge erzielten – obwohl sie insgesamt mehr Schulden als Vermögen gegenüber dem Ausland hatten.
- Zum anderen wirkten Bewertungseffekte zu ihren Gunsten: Die Werte ihrer Auslandsanlagen stiegen, etwa durch Kursgewinne an den internationalen Finanzmärkten. Gleichzeitig verloren ausländische Investoren mit ihren US-Investitionen teilweise Geld – ein bekanntes Beispiel dafür war die Subprime-Krise, bei der viele ausländische Anleger massive Verluste auf amerikanische Wertpapiere hinnehmen mussten. Diese Bewertungsgewinne auf US-Seite und Verluste auf ausländischer Seite ließen die Netto-Auslandsverschuldung der USA geringer erscheinen, als sie es rein rechnerisch durch das anhaltende Leistungsbilanzdefizit eigentlich hätte sein müssen.
In der unten aufgegriffenen Grafik sieht man nun wie sich die Nettoinvestitionsposition einerseits relativ zum BIP und andererseits in absoluten Zahlen entwickelte. Dabei fällt auf, dass sich die Nettoposition besonders ab 2017/2018 sehr dynamisch ins Negative bewegte- die Auslandsschulden also wuchsen, während das Auslandsvermögen bestenfalls stagnierte.

Quelle: Prof. Dr. Gabriel Felbermayr: Ein Handelsabkommen mit den USA unter Trump?- IWP
Die ursachen
Der relative Auslandvermögenverust lag primär an der starken Aufwertung des US-Dollars. Hinzu kam, dass viele ausländische Investoren vom kräftigen Aufschwung an den US-Aktienmärkten profitierten, was ihre Position gegenüber den USA weiter stärkte. Die Steuerreform von 2017 spielte ebenfalls eine Rolle: Sie veranlasste US-Konzerne, im Ausland geparkte Gewinne in großem Stil zurückzuholen, was den Abbau von Auslandsanlagen beschleunigte. Zusammen mit dem zunehmenden Leistungsbilanzdefizit führten diese Entwicklungen zu Bewertungsverlusten, Kapitalabflüssen und einer wachsenden Auslandsverschuldung – was sich schlussendlich in einer sichtbar deutlich negativeren Nettoinvestitionsposition der USA niederschlug.
Die in den Folgejahren zunehmend negativ ausfallende Nettoinvestitionsposition der USA ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die bisherigen vorteilhaften Mechanismen nicht mehr funktionieren. Infolge der Corona-Pandemie stiegen weltweit die Zinsen – etwa bei der deutschen zehnjährigen Bundesanleihe – während gleichzeitig die amerikanischen Auslandsinvestitionen immer weniger Rendite abwarfen. Dadurch verteuerten sich die Auslandsschulden, das Auslandsvermögen wurde weniger ertragreich, und die zuvor günstigen Zinsspreads schrumpften spürbar zusammen.

Hinzu kommt, dass sich auch die Bewertungseffekte umkehrten: Der Wert europäischer und asiatischer Vermögenswerte fiel, was direkte Verluste für US-Auslandsanlagen bedeutete. Gleichzeitig legten ausländische Investitionen in den USA – etwa Immobilien oder Staatsanleihen – deutlich an Wert zu. Das Ergebnis: Die US-Schulden erscheinen heute größer, während ihr Auslandsvermögen real schrumpft.
Die USA erleidet erhebliche Kapitalverluste
Prof. Dr. Gabriel Felbermayr führte nun eine wirklich hervorragende Grafik an, welche die Informationen sehr gut in Zusammenhang bringt. Denn die linke Grafik zeigt sowohl das kumulative Leistungsbilanzsaldo, als auch die Nettoinvestitionsposition. Bis etwa 2018 war die Nettoauslandsposition der USA weniger negativ als es das kumulierte Leistungsbilanzdefizit vermuten ließe – was auf den ersten Blick überraschend erscheint. Denn grundsätzlich gilt: Ein anhaltender Import- und Konsumüberschuss sollte sich spiegelbildlich in einer entsprechenden Zunahme der Auslandsschulden niederschlagen. Mit anderen Worten: Der negative Saldo der Leistungsbilanz und das Nettoauslandsvermögen müssten eigentlich in ähnlicher Größenordnung negativ sein.

Quelle: Prof. Dr. Gabriel Felbermayr: Ein Handelsabkommen mit den USA unter Trump?- IWP
Ausgehend von dieser Grundregel ist nun relativ trivial zu erklären, was aufgrund der Zinsspreads passiert ist. Denn wenn die Zinsspreads, wie etwa vor 2018, weniger negativ (oder sogar positiv) im Vergleich zum kumulierten Leistungsbilanzsaldo sind, bedeutet das, dass das jeweilige Land Gewinne mit ihrem Auslandsvermögen erzielt haben.
Grund: Die Zinskosten für aufgenommenes Kapital waren niedriger als die mit dem Vermögensgegenstand erzielte Rendite gewesen ist.
Inzwischen hat sich das Verhältnis jedoch umgekehrt: Die Nettoinvestitionsposition der USA ist mittlerweile noch negativer als das kumulierte Leistungsbilanzdefizit. Das bedeutet, dass die USA nicht nur Schulden beim Ausland aufnehmen mussten, um ihren Konsum zu finanzieren, sondern darüber hinaus auch noch reale Verluste hinnehmen – sei es durch Vermögensabwertungen oder ausbleibende Kapitalerträge.
Diese Entwicklung lässt sich auch deutlich in der rechten Grafik erkennen, in der die gegenwärtigen Verluste beziehungsweise der fehlende Ertrag aus US-Auslandsvermögen sichtbar wird.
Fazit
Über Jahre hinweg konnten sie trotz hoher Auslandsverschuldung Gewinne erzielen – dank günstiger Zinsspreads und positiver Bewertungseffekte. Doch diese Mechanismen haben sich inzwischen umgekehrt: Die Finanzierungskosten steigen, die Renditen im Ausland schrumpfen, und das US-Auslandsvermögen verliert an Wert, während ausländische Investitionen in den USA an Attraktivität gewinnen. Die Folge: Die Nettoinvestitionsposition der USA fällt schneller, als es das Leistungsbilanzdefizit allein erklären würde.
Für amerikanische Bürger bedeutet das langfristig eine reale Wohlstandsbelastung. Denn die USA zahlen künftig mehr an das Ausland, als sie davon einnehmen – durch höhere Zinszahlungen und schwache Kapitalerträge. Auch die diesbezüglich unmittelbaren Auswirkungen auf den Kurs der Trumpschen Handelspolitik könnte man diskutieren.
Kurzum: Die Rolle der USA als „Venture Capitalist der Welt“ bröckelt – mit weitreichenden Folgen für die Stabilität ihrer Handelsbilanz, ihrer Währung sowie für amerikanische Investoren und -ganz wichtig- den amerikanischen Staat.
In eigener Sache: Zur Analyse sowie Informationsbeschaffung nutzen wir die Software InvestingPro unseres Partners
investing.com. Mit dem Partnerlink https://www.investing-referral.com/aff90/ sparen Sie immer den maximalen Rabatt.
Wenn Sie nichts wichtiges rund um die Börse, Wirtschaft und Politik verpassen wollen, folgen Sie uns auf Home – EconomyGlobal.
Foto von Ekaterina Belinskaya- Pexels.com