Es ist ein Symptom der Deindustrialisierung, der von vielen Ökonomen bezeichneten „katastrophalen“ Energiepolitik und der überproportionalen Bürokratie- und Steuerlandschaft- der Stellenabbau in Deutschland. Gefühlsmäßig erreicht einen täglich die Meldung, dass ein großes Unternehmen in Deutschland Stellen streichen wird. Wie stark die Auswirkungen dieser Beschäftigungsreduktion schlussendlich sein werden, hängt sicherlich auch an der zukünftigen wirtschafts- und sozialpolitischen Richtung der neuen Regierung. Nichts desto trotz lassen sich von dem heutigen Zeitpunkt ausgehend einige erschreckende Aussagen treffen, welche nicht auf ein Ende der strukturellen Probleme Deutschlands hindeuten.
Aktueller Stellenabbau
Der bekannteste und zugleich größte Stellenabbau ist durch den Autokonzern Volkswagen angekündigt worden. Laut Reuters sollen bis 2030 über 35.000 Jobs gestrichen werden. Der Autozulieferer ZF plant den Abbau von bis zu 14.000 Stellen in Deutschland, während SAP zum aktuellen Zeitpunkt zwischen 9.000 und 10.000 Arbeitsplätze streichen will. Auch Continental steht vor erheblichen Kürzungen und will 13.000 Stellen an verschiedenen Standorten abbauen. Bosch hat den Abbau von bis zu 3.760 Arbeitsplätzen angekündigt, und ThyssenKrupp plant, bis 2026 weltweit 11.000 Stellen zu streichen.
Ford ist ebenfalls betroffen und rechnet mit dem Wegfall von etwa 2.900 Arbeitsplätzen in Deutschland. Bayer hat den Abbau von mehreren tausend Stellen weltweit angekündigt, und Vodafone Deutschland will rund 2.000 Jobs streichen. Der Autozulieferer Webasto plant den Abbau von mindestens 1.600 Arbeitsplätzen, während Tesla in Grünheide etwa 3.000 Stellen streichen will, was Teil eines globalen Abbaus von 14.000 Jobs ist.
Darüber hinaus haben weitere Unternehmen Kürzungen angekündigt: Darunter Evonik, DPD Deutschland, Getir/Gorillas, Michelin, Miele, Kuka, Meyer Burger, Lanxess, BSH, Venator, New Work, Landliebe, E.G.O., Vaillant, Bizerba, C.H. Müller, Solarwatt, Outokumpu, Rauch, Fysam, Leipa, Rosenthal, Curt Bauer und Knorr.

Quelle: @terran_liberty / X
ifo-beschäftigungsbarometer

Quelle: www.ifo.de
Das ifo-Beschäftigungsbarometer zeigt schon seit dem Jahr 2022 einen Abwärtstrend in Bezug auf die Beschäftigung.

Quelle: @KeineWunder / X
Der obliegende Chart , welcher sich auf die Dienstleister bezieht, zeigt nun das erste Mal nach der Corona-Krise sowie dem Energieschock 2021 eine negatives Saldo in puncto Jobplänen.
Gründe für Stellenabbau
Die Gründe sind vielfältig: Konjunkturelle Krisen, welche zu Kosteneinsparungen und somit zu Personalabbau führen, ein grundlegender Strukturwandel, der besonders die traditionelle Industrie belastet und eine anders als in anderen Ländern immer noch anhaltende Energiekrise sowie hohe Strompreise sind nur die Spitze des problemreichen Eisbergs.
Dazu kommt eine überbordete Bürokratie mit komplexen Regulierungen und erheblichen Kosten. Die politisch regulierten Lohnkosten sind neben den anderweitigen staatlich regulierten Preisstrukturen ein fundamentaler Faktor für vor allem große Unternehmen, die die Möglichkeit haben, Produktionsstandorte zu wechseln. In Bezug auf die Produktion ist auch der Faktor Automatisierung und technologischer Fortschritt ein allumfassender Grund, um auf Personal zu verzichten. Das höchst komplexe und ineffiziente Steuersystem in Deutschland lädt sicherlich ebenso nicht dazu ein, die Unternehmungen innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik weiterzuführen.
Ohne sich in der Tiefe mit dem Thema auseinanderzusetzen, könnte man mit großer Sicherheit noch andere Gründe anführen. Das Entscheidende ist jedoch, dass diese Probleme Deutschland alleine hat- oder andere Volkswirtschaften ihre Probleme zu mindestens besser im Griff haben. Der Stellenabbau hat jedoch tragische Folgen in Bezug auf zukünftige ökonomische und sozialpolitische Entwicklungen und wird eine wirtschaftliche Wende maßgeblich erschweren.
Arbeitsmarkt und StaatsHaushalt
Durch den großen Stellenabbau werden logischerweise viele Menschen auf der Sucher neuer Arbeit sein. Einige werden zu neuer Arbeit finden, einige aber auch nicht. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht davon aus, dass die Arbeitslosenzahl 2024 auf 2,78 Millionen und im nächsten Jahr auf 2,84 Millionen steigen wird, so eine Prognose.

Quelle: @Schuldensuehner / X
Die Arbeitslosenquote liegt im November bei 5,9%. Ein Trend zeigt, dass die Arbeitslosigkeit nach der Corona-Pandemie zunehmend steigt. Vergleicht man die Arbeitslosenquote mit anderen Industrienationen wie der USA ist die Entwicklung zunehmend schlechter.
Die Gefahr zunehmender Teilzeitbeschäftigung
Viel gefährlich wird jedoch die Verschiebung in die Teilzeitbeschäftigung. Insgesamt arbeiten wir in Deutschland immer weniger. Das Narrativ, welches uns einst nachgesagt wurde, viel und fleißig zu arbeiten, hat uns faktisch verlassen: Die Gesamtzahl der Erwerbstätigen steigt, wohingegen das Arbeitsvolumen sinkt. Mit der Suche nach neuer Arbeit und der in ganz Deutschland verbreiteten finanziellen Problemlage der Unternehmen dürfte die Bereitschaft, Vollzeit-Löhne zu zahlen seitens der Unternehmen weiterhin sinken. Dieser Trend ist schon seit den Krisen 2020 und 2021 zu erkennen.
Diese Verschiebung wird auf mehren Fronten zu massiven Problemen führen. In Folge der nicht versicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung sinken die Beiträge für Kranken- und weitere Versicherungen, was nicht nur das Versicherungssystem, sondern auch das Gesundheitssystem destabilisieren könnte.
Auch die Arbeitsproduktivität sowie der Haushalt dürften unter der strukturellen Beschäftigungsverschiebung leiden. Denn in unserer ausführlichen Analyse „REFORMANSÄTZE FÜR DEUTSCHLANDS STEUERSYSTEM – EconomyGlobal“ haben wir dargelegt, dass das deutsche Steuer- und Abgabesystem für Niedrigeinkommensgruppen keinerlei Anreize schafft, Mehrarbeit zu leisten. Dadurch würde die ohnehin schon schwächelnde Arbeitsmoral in Deutschland weiter abnehmen. Die Folgen wären nicht nur für die deutsche Unternehmenslandschaft verheerend, sondern ebenso für den deutschen Staatshaushalt. Ein Anstieg der Teilzeitbeschäftigung und der daraus folgende Anstieg von Menschen, die Transfers beziehen, kostet den Staat eine große Stange Geld. Verbunden mit der hohen Grenzbelastung und den geringen Anreizen würden auch die Staatseinnahmen sinken- so wären spürbare Einsparungen in anderen Ausgabepunkten wie Infrastruktur oder Bildung nötig. Es droht eine dynamische Abwärtsspirale.
Wirtschaftswachstum
Das Wirtschaftswachstum wird von der IAB für 2025 auf einen Anstieg von 0,4% prognostiziert. Diese Prognose ist im Vergleich zu anderen noch optimistisch. Die Gründe liegen in der sinkenden Produktivität, welche insbesondere in der Industrie zu verzeichnen ist. Man verliert den Anschluss zu Wettbewerbern und hat Probleme, Innovationen zu schaffen, geschweige denn neue auf dem Markt befindliche Technologien zu nutzen.
Investitionslandschaft
Der Investitionsrückgang hat noch nicht mal annähernd das Ausmaß angenommen, wie es für die Zukunft angekündigt ist. 40% der Unternehmen planen, ihre Investitionen zu kürzen. Bei größeren Industrieunternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten denkt sogar mehr als die Hälfte über eine Verlagerung oder Einschränkung nach.
In Anbetracht der Tatsache, dass ein unterproportionaler Anteil von in Deutschland sitzenden Unternehmen überhaupt die Möglichkeit hat, die Produktion zu verlagern, sind diese Zahlen beängstigend. Es ist logisch, dass große Aktiengesellschaften über deutlich höhere Personalkapazitäten verfügen als der große Mittelstand, welchen wir in Deutschland haben. Der Stellenabbau kann also zur Folge haben, dass dem Trend von weiteren großen Unternehmen gefolgt wird und der übrig bleibende Mittelstand keineswegs die Kapazitäten aufweisen kann, die Arbeitssuchenden anzustellen.
Konsumverhalten
Umso höher die Arbeitslosigkeit, desto geringer ist natürlich auch das durchschnittlich zur Verfügung stehende Kapital für Konsumausgaben. Ein geringerer Konsum oder sinkende Preise würde zu sinkenden Margen bei den Unternehmen führen. Wenn die Marge sinkt, der finanzielle Puffer verlasst und Kosteneinsparungen vorgenommen werden müssen, sinkt ebenso die Wahrscheinlichkeit, dass Konzerne neue Stellen ausschreiben. Auch in diesem Fall könnte es im Worst-Case zu einer sich langsam entwickelnden Abwärtsspirale kommen.
Qualifikationslücken
Diese paradoxe Situation in Deutschland, in welcher Fachkräftemangel und Arbeitslosigkeit gleichzeitig auftreten, kann schnell zu falschen Schlussfolgerungen führen. Der Stellenabbau könnte oberflächlich betrachtet den Fachkräftemangel lindern. Denn wenn Stellen wegfallen, gibt es auch weniger Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften. In Wirklichkeit verschärft das jedoch die strukturellen Probleme des Arbeitsmarktes. Eine Qualifikationslücke und ein Missverhältnis zwischen den Fähigkeiten der Arbeitslosen und den Anforderungen offener Stellen verhindern eine Lösung. Langfristig führt der Verlust von Arbeitsplätzen zu einem Verlust von Fachkenntnissen, was den Fachkräftemangel verstärken kann. Dies betont die Dringlichkeit gezielter Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen, um diese Diskrepanz zu überwinden.
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