Auf sozialpolitscher Ebene wird wohl kaum ein Thema so präsent und kontrovers diskutiert wie das Phänomen der Migration. Aber wie sind eigentlich die ökonomischen Auswirkungen? Inwiefern stehen Fachkräftemangel und Sozialleistungsbeziehung in Konkurrenz?
Genau diese objektiven und ökonomischen Überlegungen sollen extern jeder subjektiven, politischen und persönlichen Meinung in diesem Artikel aufgezeigt werden. Dabei ist neben der theoretischen Ebene, welche von empirischen Daten gestützt wird, auch eine kontrafaktische Ergebnislage, die auf nicht-realitätsentsprechenden Szenarien aufgebaut und aufgrund volkswirtlicher Grundlagen in einem Modell zu Ende gedacht wurde, ein Teil der Informationsgrundlage. Unter diese Kontrafaktizität fällt beispielsweise jegliche Annahme von einer migrationsexplizierten Wirtschaftsentwicklungen. Logischerweise sind solche Szenarien nicht mittels Statistik und empirischer Datenlage auszuwerten, sondern obliegen einem modellbasierten Kausaldenken, welches volkswirtschaftliche Grundprinzipien impliziert und von vergangenen Daten ausgeht.
Fiskalische Nachhaltigkeit
Der ganzen Debatte, ob Immigration positive wirtschaftliche Effekte nach sich zieht, liegt das einfache Prinzip der ökonomischen Nachhaltigkeit zugrunde. Jeder Fiskus strebt auf rein ökonomischer Ebene Nachhaltigkeit an. Man spricht auf volkswirtschaftlicher Ebene von Nachhaltigkeit, wenn die Zahlungen an den Staat gleich den beanspruchten fiskalischen Mitteln entsprechen. Einfach gesagt bedeutet es, dass ein Fiskus nachhaltig ist, wenn er genauso viel einnimmt wie er ausgibt. Die Differenz aus Ausgaben und Einnahmen ist die sogenannte Nachhaltigkeitslücke.

In der von dem Forschungszentrum Generationsverträge veröffentlichten Schaubild über die Nachhaltigkeitslücke der europäischen Staaten aus dem Jahr 2021 ist der Rest neben den drei Spitzenreitern (Griechenland, Estland, Kroatien) mit einer positiven Nachhaltigkeitslücke ausgestattet. Demnach übersteigen hier die Gesamtschulden der Plätze neun bis siebenundzwanzig die individuelle Wirtschaftsleistung. Die explizierten Schulden bilden hier sämtliche aus dem Staatshaushalt unmittelbar zu erkennenden Verbindlichkeiten ab, wohingegen die implizierten Schulden den verdeckten Teil öffentlicher Verschuldung bezeichnet, welcher sich primär auf demographisch bedingten langfristigen Verbindlichkeiten stützt.
Nun hat Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen, einer der renommiertesten Wirtschaftswissenschaftler in puncto Sozialpolitik und Demographie, eine jährliche Studie („Ehrbarer Staat? Fokus Migration zur fiskalischen Bilanz der Zuwanderung“, 2023) zur Untersuchung der fiskalischen Auswirkungen von Migration veröffentlicht, in welcher mittels der Generationenbilanzierung, die von Auerbach et al. (1991,1992,1994) entwickelt und international als bewährte Methode verwendet wird, die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen analysiert wird. Das grundlegende Ziel der Studie ist es, herauszufinden, ob Migration die Nachhaltigkeitslücke verringert oder vergrößert, beziehungsweise inwiefern Zuwanderung positive ökonomische Effekte auf die Volkswirtschaft Deutschlands hat. Die in dieser Studie angewandten kausalen Zusammenhänge sind jedoch auf jegliche andere Sozialstaaten replizierbar.

Dazu stellte Raffelhüschen drei Szenarien auf. In jeder der Szenarien setzt er voraus, dass die aus dem Jahr 2023 hervorgehenden durchschnittlichen Pro-Kopf-Zahlung der im Inland lebenden Ausländer auch für zukünftige Migranten gelten und eine Integrationsdauer von 6 Jahren benötigt wird. Ausgegangen wird hierbei von 293.000 Zuwanderer pro Jahr. Die Nachhaltigkeitslücke, welche aus diesen drei Variablen hervorgeht und das Szenario der Weiterführung bestehender Migrationspolitik abbildet , beträgt einen deutlichen Anstieg von 447,8 auf 497,1 Prozent des BIP, was eine negative fiskalische Bilanz zukünftiger Zuwanderung bedeutet.
In Szenario 1 geht man nun von einer verbesserten Qualifikationsstruktur aus und impliziert, dass die Hälfte der Zuwanderer bereits über eine Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss verfügen. In diesem Fall verringert sich die Nachhaltigkeitslücke in Bezug auf das Referenzszenario um 64%.
Szenario 2 geht nun von einer zuzüglich der im Referenzszenario zugrundeliegenden 293.000 Zuwanderer zusätzlichen Arbeitsmigration in Höhe von 109.000 Personen aus. Diese zusätzlichen Migranten weisen die im Szenario 1 definierte verbesserte Qualifikationsstruktur auf und sorgen im Gesamten zu einer 39,5 prozentigen Verminderung der Nachhaltigkeitslücke ausgehend vom Referenzszenario.
Das Szenario 3 impliziert nun sowohl die 50 prozentige höhere Qualifikation des Referenzszenarios als auch die zusätzliche höher qualifizierte Arbeitsmigration aus Szenario 2. Hierbei würde die Nachhaltigkeitslücke um 127,7% geschlossen werden, was ein Indikator für die Notwendigkeit von gut ausgebildeten Zuwanderern darstellt.

Nun gibt es jedoch eine höchstinteressante Auffälligkeit, welche die Rahmenbedingung für die Betrachtung des Problems grundlegend verändert. Betrachtet man nämlich nun das Szenario, welches von keiner zukünftigen Migration ausgeht, muss man feststellen, dass jene fiskalische Bilanz mit 347,4% des BIP geringer ist als Szenario 3. Demnach hat jedes Szenario, welches Migration impliziert, laut Raffelhüschens Berechnungen einen negativen fiskalischen Effekt. Das fiskalische Problem liegt also offensichtlich nicht alleinig an der qualitativen Arbeitsvariable.

Die vorliegende Grafik gibt Aufschluss über die grundsätzliche Nachhaltsigkeitssituation des deutschen Fiskus. Diese Grafik basiert auf Daten des Jahres 2018 und umfasst das durchschnittliche Konsum- und Leistungsbezugsverhalten sowie jegliche Art von Steuerzahlungen. Aus den Nettozahlungen pro Kopf geht empor, dass sowohl Inländer als auch Ausländer in der Kinder- und Jugendzeit gleichermaßen Kosten und eine negative Bilanz für den Staat verursachen. Erst mit dem Alter von ca. 20 Jahren schlagen die Nettozahlungen pro Kopf in eine positive fiskalische Dividende um.
Inländische Bürger tragen in der Erbwerbstätigkeit durschnittlich mehr zu einer negativen Nachhaltigkeitslücke bei als ausländische Bürger. Der Grund dafür liegt in dem progressiven Steuermodell Deutschlands, welches sowohl größere direkte fiskalische Effekte seitens der Inländer erzeugt als auch größere staatliche Zuflüsse über Konsumsteuern nach sich zieht. Diese unterschiedlichen, auf Qualifikationsdifferenzen basierenden Beiträge zur fiskalischen Bilanz werden jedoch auch in den künftigen Nettotransfers in Bezug auf die sehr äquivalente Rentenversicherung berücksichtigt, welche für Inländer um einiges höher ausfallen als für Ausländer.
Das Problem liegt also grundsätzlich nicht in einer ungerechten Vermögensumverteilung von dem eingezahlten Kapital der Inländer an die Ausländer, sondern viel mehr an einem grundlegend nicht nachhaltigen System. Sowohl bei Inländern als auch Ausländern überwiegt nämlich das, was man vom Staat bekommt, jegliche Leistung, welche man für die öffentlichen Finanzen des Fisuks erbringt. Wenn nun schon die inländische Bevölkerung vom Sozialstaat profitiert, wird jegliche Migration, welche nicht überdurchschnittliches Kapital mit- oder erbringt, welches sämtlich erhaltende fiskalische Leistungen übersteigt, die Finazen des Fiskus belasten. Um es klar und deutlich auszudrücken: Selbst ein qualifizierter Deutscher, welcher einwandern möchte, müsste laut Raffelhüschen abgewiesen werden, weil er fiskalisch keinen positiven Effekt erzielen kann.
Effekte auf Lohn, Beschäftigung und Wirtschaftswachstum
Neben fiskalischen Effekten sind auch die Lohn- und Beschäftigungseffekte ein interessanter Punkt, welcher immer wieder im Zuge der Migrationsdebatte angeführt wird.

Grafik: Eigene Darstellung
Wie man an der herkömmlichen und standardisierten Nachfragekurve auf dem Arbeitsmarkt sehen kann, bedeuten niedrigere Löhne eine höhere Beschäftigung. Der Simplicissimus dieser Aussage basiert auf der einfachen Erkenntnis, dass sich bei geringeren Lohnkosten mehr Geschäftsunternehmungen rentieren. Steigt der Lohn nun an, scheiden Unternehmen, welche sich bei Niedriglöhnen noch finanzieren konnten, jedoch bei höheren Finanzierungskosten illiquide werden, aus dem Arbeitsmarkt aus.
Wenn nun auf der Angebotsseite die Beschäftigung durch Immigration steigt, ist die logische Konsequenz, dass die Löhne sinken. Diese tieferen Lohnkosten machen nun den jeweiligen Produktionsstandort attraktiver und ausländische Unternehmen treten dem Markt bei. Durch das erhöhte Nachfrageangebot, welches mit der expandierenden Unternehmensanzahl einhergeht, entfacht auch der Kampf um Arbeitskräfte. Die Unternehmen bieten sich bis zu einem bestimmten Lohn hoch, welcher nahe, wenn nicht sogar gleich dem Niveau vor der Migration ist.
Das Pro-Kopf-Wachstum ist somit minimal, wenn nicht sogar gleich null, aber sowohl die Anzahl der Wirtschaftsbeitragenden als auch das Wachstum des Kapitalstocks sind positiv. Studien (Lewis und Peri (2015), Peri (2016)) belegen auch genau diese Annahme. Ein weiterer Effekt ist demnach der Ausbau von Infrastruktur sowie die betriebliche Beschaffung von Maschinen und anderen Gütern.
Niedrige Lohn- sowie Arbeitslosigkeitseffekte mit einem wachsenden Kapitalstock beziehen sich jedoch primär auf hochqualifizierte und überdurchschnittlich bezahlte Erwerbstätige. Denn nur hier kann man von einem weitestgehend flexiblen Arbeitsmarkt ausgehen, der den Schnittpunkt zwischen Angebot und Nachfrage findet. In einem Sozialstaat gibt es jedoch auch einen Arbeitsmarkt, welcher durch Interventionen wie den gewerblichen oder gesetzlichen Mindestlohn bestimmt wird. Genau dieser betrifft logischerweise unterqualifizierte Beschäftigte, dessen marktbestimmter Lohn unterhalb der vorgeschriebenen Lohnschwelle liegt.

Grafik: Eigene Darstellung
Durch die Tatsache, dass vor allem in Deutschland ein großer Teil der Immigranten eine geringe Qualifikation hat, endet jede derartige Zuwanderung langfristig in Arbeitslosigkeit. Denn geht man davon aus, dass Zuwanderung in einen Markt mit einfacher Arbeit eintritt, ist der Lohnsenkungseffekt durch das erhöhte Angebot irrelevant. Jede Erhöhung an Beschäftigung endet nun langfristig an einer Zusatzbelastung der Arbeitslosigkeit. Kurzfristig können die Effekte durch keynesianische Maßnahmen seitens des Staats positiv gestaltet werden. Das Problem ist die Substituierbarkeit bei geringqualifizierter Arbeit, durch welche Zuwanderer bei Berücksichtigung eines Mindestlohns nicht nur die Arbeitslosigkeit verstärken, sondern grundsätzlich den inländischen Erwerbstätigen die Arbeit wegnehmen.
Durch die kulturstrukturelle komplementäre Arbeitssituation zwischen hochqualifizierten Inländern und Ausländern ist der Beschäftigungseffekt in jener Qualifikationsstruktur positiv. Peri und Sparber (2011) haben genau diese Annahme belegt und von einem Vorteil einer unterschiedlichen Spezialisierung gesprochen, welche den Konkurrenzkampf auf Kosten der Inländer verhindert. Die Landessprache als auch verschiedene Technologien sind dabei die hauptangeführten Punkte.
Migration- Lösung des Fachkräftemangels?
Nun stellt sich die berechtigte Frage, ob der Fachkräftemangel durch Migration behoben werden kann. Die Antwort fundamentiert nun auf bereits angeführtem Wissen und ist nicht eindeutig. In den Medien ist immer wieder die Rede von einer Notwendigkeit ausländischer Arbeitskräfte zur Behebung des Fachkräftemangels.
Denkt man die Situation strukturiert durch, ist jedoch ein Problem zu erkennen. Nimmt man an, dass ein Arzt aus dem Ausland ins Inland kommt und den Beruf unmittelbar und uneingeschränkt ausüben kann – dieses Szenario ist durchaus optimistisch und keinesfalls dem Regelfall entsprechend, da Integrationsdauer und Anerkennung von Qualifikationen eine reale zeitliche und qualitative Hürde darstellen. Der immigrierte Arzt erwirtschaftet nun positive Nettozahlungen zugunsten des Staates und erbringt natürlich eine gesamtwirtschaftliche Leistung, welche den Kapitalstock erhöht und den Bedarf an Ärzten verringert. Bis dato stellt der Arzt neben wirtschaftlich positiven Beiträgen sowie einer bestenfalls positiven fiskalischen Dividende einen Gewinn für die Volkswirtschaft dar.
Nun muss die immigrierte Person aber konsumieren, sie muss Straßen nutzen, benötigt Anwalt und andere Dienstleistungen und Güter. Nun steigt also mit Minderung unilateralen Bedarfs in Form von Ärzten der Bedarf an anderen Berufsgruppen, an Infrastruktur und Wohnraum. Mit was für einem Faktor beide Variablen konkurrieren, ist einerseits nicht erforscht und andererseits von externen Faktoren abhängig und somit nicht zu verallgemeinern. Aber Fakt ist, dass bei dem gleichen Wachstum von Arbeitskräften und Arbeitsplätzen kein positiver Nettoeffekt in Sachen Fachkräftemangel entstehen kann.
Sozialstaat- Strukturelle Probleme

Nun ist es interessant zwischen Staaten zu differenzieren, wessen Sozialsysteme ähnlich sind, jedoch bezüglich der Migration verschiedene Herangehensweisen haben, um zu verstehen, warum die Anteile der grundsätzlich angestrebten Erwerbsmigration so unterschiedlich sind.
In der obigen Abbildung ist das kanadische Federal-Skilled-Worker-Programm, das australische Skilled-Independent-Visa-Programm, das amerikanische Green-Card-Programm und das deutsche Blue-Card-Programm in vier verschiedene Migrationsarten unterteilt. Die Daten stammen aus dem Jahr 2019, was aber keine Auswirkung auf die Kernaussagen und Effekte der verschiedenen Programme hat.
Die praktische Ausgestaltung der Systeme zur Steuerung der Erwerbsmigration bilden das Fundament zum Verständnis der vorliegenden Fallzahlen. Australien und Kanada haben jeweils ein Punktesystem, die USA arbeitet mittels Präferenzlisten und Deutschland erhebt allgemeine Mindestkriterien. In anderen Worten bedeutet es, dass nur Deutschland weder Begrenzungen noch qualitätssichernde Verfahren innehat. Der Grund für die geringe Erwerbsmigration liegt neben nicht vorhandenen Musterungsstrukturen in zusätzlich hohen Einkommenssteuerbelastungen sowie einem massiven Nachteil aufgrund der Landessprache.
Australien, Kanada und USA bilden vor allem durch die englischen Sprachkenntnisse zusätzliche Attraktivität für die ohnehin international verwendete Kommunikationsgrundlage hochqualifizierter Arbeitskräfte. Diesem Umstand hängt Raffelhüschen den Grundgedanken an, ob es überhaupt möglich sei, die Erwerbsmigration auf ein Niveau des größentechnisch vergleichbaren Migrationsstandorts Australien zu erhöhen.
Nichts desto trotz liegt eine allgemeine Parallele vor, welche in einem Sozialsystem unmissverständlich zu Problemen führt: die familiäre Migration. Familiennachzug ist alt und alte Zuwanderung kann nur negative fiskalische Effekte bewirken. Prozentual weist genau diese familiäre Migration in Australien, Deutschland und USA einen erheblichen Anteil der Gesamtmigration auf. Wenn ein System nun ungefiltert Familiennachzug erlaubt, liegt dieser Tatsache auch in einem nicht ausgelasteten Sozialsystem eine nicht nachhaltige Belastung der öffentlichen Finanzen zugrunde. Basierend auf ökonomischer Entscheidungslage gibt es in puncto Familiennachzug keine zwei Meinungen: Familiäre Migration kann nichts als einen negativen fiskalischen Effekt haben und sollte demnach verhindert werden.
Raffelhüschen führt in Bezug auf Deutschland einen ganz zentralen Punkt an. Wenn man die Erwerbsmigration fördern möchte, dann sei neben Anwerbungsmaßnahmen hochqualifizierter Arbeitskräfte eine strikte Trennung von moralischen und fiskalischen Aspekten nötig. Die humanitär bedingte Zuwanderung stellt knapp die Hälfte- aktuellen Daten zufolge vermutlich noch deutlich mehr- der Gesamtmigration und nimmt somit auch den größten Kostenposten ein. Um derartige Migration abzubauen sei jedoch die Frage nötig, wie viel ethische Ausrichtung fiskalisch zu tragen wäre und wie viel fiskalischer Inhalt in die ethische Auffassung der Gesellschaft gewillt ist, zu fließen.
fazit zum Umgang mit Migration
Die Debatte rund um Migration ist zurecht kontrovers diskutiert und nicht unilateral zu betrachten. Es ist weder empfehlenswert jegliche ethischen Standpunkte aufzugeben, um maximalen fiskalischen Profit zu schlagen, noch umgekehrt. Auf ökonomischer Basis gibt es jedoch empirische Zusammenhänge zwischen verschiedenen Sachverhalten, wessen plumpe Missachtung zu anhaltenden volksökonomischen Schäden führen wird. Jeder Sozialstaat hat neben dem Ziel, die bestehenden Generationen vor sozialer Ungerechtigkeit zu schützen, die Pflicht, gleichermaßen Schutz für zukünftige Generationen sicherzustellen. Die Umschichtung explizierter Schulden in implizierte Schulden ist nicht nur nicht nachhaltig, sondern schlicht und ergreifend ungerecht für nachkommende Jahrgänge und Regierungen.
Betrachtet man einen Fiskus ohne soziale Funktion, stellt sämtliche Migration junger Arbeitskräfte einen positiven Effekt dar. Der Grund dafür ist der Verjüngungseffekt. Der Trugschluss, dass erwerbstätige Zuwanderung in jedem Fall einen wirtschaftlich positiven Effekt darstelle, welcher medial immer wieder beteuert wird, ist aber im Falle eines Sozialstaates falsch. In dem Moment, wo Umverteilung durch progressive Steuersysteme und andere Maßnahmen die Basis darstellt, ist nur von einer fiskalischen Dividende die Rede, wenn der Ertrag des Immigrierten für den Fiskus größer ist als dessen Beanspruchung der öffentlichen Finanzen. Andernfalls gibt es ökonomisch keinen Grund ihn in das Sozialsystem zu integrieren, weshalb eine gesteuerte Migration basierend auf qualitativen und gesellschaftsfördernden Parametern unverzichtbar ist.
Die Qualifikationsstruktur ist vor allem dann von großen Nöten, wenn es beispielsweise einen Mindestlohn gibt, welcher den flexiblen Arbeitsmarkt in seiner reinen freien marktwirtschaftlichen Form aushebelt. Inwiefern die Vorteile dessen sind, ist in diesem Diskurs nicht zu beurteilen. Es ist aber die Feststellung zu treffen, dass eine niedrigqualifizierte Erwerbsmigration in einem solchen Falle zu langfristiger Arbeitslosigkeit führen wird.
Ein weiterer entscheidende Punkt, welcher aus den fiskalischen Effekten empor geht, ist der Familiennachzug. Laut Bernd Raffelhüschen ist jener ein absolutes Tabu für jegliche erfolgreiche Migrationspolitik. Alte Bevölkerungsgruppen tragen nicht nur nicht zur Wirtschaftsleistung bei, sie beanspruchen und binden zudem auch Ressourcen, welche für bereits dem Sozial- und Wirtschaftssystem zugehörige Bevölkerungsgruppen vorgesehen sind. Dies zu erlauben würde implizierte Schuldlasten vergrößern und die Nachhaltigkeitsbilanz weiter in die Höhe treiben.
Im Großen und Ganzen kann Migration jedoch auch Kapitalstockerhöhungen nach sich ziehen und eine bedeutende fiskalische Dividende verursachen- wenn man richtig zuwandern lässt. Das Beispiel Deutschland verdeutlicht, dass ein Sozialstaat, wessen System auch schon ohne Zuwanderung aus- und überlastet ist, keinen positiven Effekt aus jeglicher Art von Migration ziehen kann. Das gilt für jeden ähnlich oder noch stärker belasteten Fiskus. Wenn es jedoch ein Sozialstaat schafft, die öffentlichen Finanzen nachhaltig zu gestalten, führt gezielte und qualifizierte Migration zu Vermögenszuwachs und verkörpert ein Instrument für Wirtschaftswachstum.
Der Ansatzpunkt sollten demnach auch laut Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen Anpassungen des Sozialstaates sein. Man solle wieder Anreize zum Arbeiten schaffen und den Belohnungseffekt vom obligatorischen „Nichtstun“ stark überdenken, was zweifellos notwendige Reformen zur Folge haben muss. Wenn man es im Zuge dessen schafft, ökonomische Nachhaltigkeit zu bewirken, kann man auch wieder über Immigration sprechen. Extern von jeglichen ethischen Verpflichtungen, welche keinesfalls missachtet und aus der Debatte extrahiert werden sollten, macht der ökonomische Grundgedanke über Zuwanderung in einem ausgelastetem Sozialsystem keinen Sinn und sollte temporär ausgesetzt werden. Ob nun Moral oder Wirtschaft übergeordnet werden, steht nun offen zur Diskussion und trotzdem macht es ein gesunder Menschenverstand unabdingbar, die Folgen einer Missachtung von volkswirtschaftlichen Tatsachen generationsübergreifend verantwortungsvoll zu forcieren.