Boeing ist vermutlich das Sorgenkind schlechthin. Es gab wenige Konzerne dieser Größe, welche über die letzten Jahre so konstant schlechte Schlagzeilen machten. Das Prinzip der Antizyklischen Investoren besteht jedoch bekanntlich darin, zu Kaufen, wenn die Aktie am absoluten Boden angekommen ist und folglich wieder steigen muss. Aber wie sieht es nun rund um das Flugfahrtunternehmen aus? Wie viel Abwärtspotential ist noch da und ist es eine Überlegung wert?
Unternehmensprofil
Als erstes möchte wir einen kleinen Rundumschlag zu dem Unternehmen geben. Hierzu nutzen wir die Software InvestingPro unseres Partners investing.com. Mit dem Partnerlink https://www.investing-referral.com/aff90/ sparen Sie immer den maximalen Rabatt.
The Boeing Company ist ein Luft- und Raumfahrtunternehmen. Zu den Geschäftsbereichen des Unternehmens gehören Verkehrsflugzeuge (BCA), Verteidigung, Raumfahrt und Sicherheit (BDS), Global Services (BGS) und Boeing Capital (BCC). Das Segment BCA entwickelt, produziert und vermarktet Verkehrsflugzeuge und bietet Flottenunterstützungsdienste an, vor allem für die kommerzielle Luftfahrtindustrie. Das Segment BDS befasst sich mit der Forschung, Entwicklung, Produktion und Modifikation von bemannten und unbemannten Militärflugzeugen und Waffensystemen für Angriff, Überwachung und Mobilität. Das BDS-Segment besteht aus vier Abteilungen, darunter Vertical Lift, Mobility, Surveillance & Bombers, Air Dominance und Space, Intelligence & Weapon Systems. Das BCC-Segment vermittelt, arrangiert, strukturiert und bietet seinen Kunden selektive Finanzierungslösungen.
Was passiert ist?
In den letzten Jahren durchlebte Boeing erhebliche Turbulenzen, vor allem durch die 737 MAX-Krise. Nach zwei Abstürzen in 2018 und 2019 mit insgesamt 346 Todesopfern wurde das Modell weltweit stillgelegt. Ein fehlerhaftes System (MCAS) zur Stabilitätskontrolle führte zu diesen Unfällen, und Boeing sah sich massiven Untersuchungen, Klagen und einem schweren Reputationsverlust gegenüber. Der Konzern verlor Milliarden und musste das Vertrauen der Branche wiedergewinnen. Nach umfassenden Updates und neuen Schulungsprogrammen wurde die 737 MAX Ende 2020 wieder zugelassen.
Zusätzlich belasteten die COVID-19-Pandemie und ein Rückgang der Flugzeugnachfrage Boeings Finanzen weiter. Die Verzögerungen beim Langstreckenmodell 777X sowie Qualitätsprobleme bei der 787 Dreamliner-Produktion erhöhten den Druck. Dennoch stabilisiert sich Boeing langsam wieder, mit steigenden Auslieferungen und einem Fokus auf die Verbesserung von Sicherheitsstandards und Produktionsqualität.
Die neusten News sind Ihnen vermutlich schon bekannt. Seit Mitte September haben zehntausende Mitarbeiter von Boeing gestreikt, zu einer Einigung kam es Anfang diesen Monats- Diese Einigung sieht nun ein Einkommensplus von 38 Prozent vor, welche sich hinzu der Einmalzahlungen von 11.000 Euro sowie weiteren Bonuszahlungen addieren.
Wegen des siebenwöchentlichen Streiks wurde die Produktion des Bestseller-Modells 737 lahmgelegt. Dadurch verlor die Boeing Company mehr als eine Milliarde Dollar und gab in Folge dessen die Streichung von 17.000 Stellen bekannt.
Auslieferungszahlen miserabel
Aufgrund der pausierten Arbeit sind die Auslieferungszahlen massiv eingebrochen: Von Beginn des Streiks bis Oktober lieferte Boeing nur 24 Flugzeuge aus. Der große Rivale Airbus hat hingegen nur im Oktober 62 Jets verkaufen können.
Auftragslage
Die Auftragslage des Konzerns ist jedoch trotz aller Auslieferungsschwäche moderat. Im Oktober konnte Boeing 63 Bruttoaufträge verbuchen – sechsundvierzig Boeing 737, vier 777 und zehn 787. Nach Angabe der Rechnungslegungsstandards kann sich Boeing 141 Nettoaufträge in die Bücher schreiben. Dabei ist es interessant, dass fast 60 Prozent der Bruttoaufträge zwischen Juli und Oktober erteilt wurden. Das Jahresziel von Airbus mit einer Nach-Unten-Revidierung hinzu 770 Flugzeugen trübte die Anleger zwar etwas, übertrumpft den Rivalen jedoch eindeutig.
Boeing versucht nun nach Ende des Streiks die Produktion der 737 Max auf einen monatlichen Stückbetrag von 38 zu erhöhen.
Wie ist das Unternehmen momentan zu bewerten?
Nach einer kurzen Einordnung der Sachlage kommen wir nun hin zu der aktuellen und vor allem auch zukünftig zu erwartenden Finanzlage des Unternehmens.
Boeing Q3
Boeing hat im dritten Quartal alles nur nicht glänzen können. Der Umsatz hat sich zwar im Vergleich zum Vorjahresquartal um +9,5% auf 17,84 Milliarden USD verbessern können, die Nettoverluste betrugen jedoch 6,17 Milliarden US-Dollar. Das entspricht einem Verlust von 9,97 USD pro Aktie. Im Vergleich: 2023 hatte man „nur“ einen Nettoverlust von 1,64 Milliarden USD sowie ein Verlust je Aktie von 2,70 USD.
Die Schwäche ist primär auf das Flugsegment zurückzuführen. Hier fand ein operativer Verlust von über 4 Milliarden Dollar statt, was größtenteils auf die schon häufig angesprochenen Streiks zurückzuführen ist.
Das Servicegeschäft, als auch der Verteidigungssektor haben mit weitestgehend stabilen Umsätzen überzeugen können, besitzen jedoch lange nicht die Kapazität die hohen Verluste auszugleichen.
Das wirft vor allem einen Schatten auf die Liquiditätsströme von Boeing. Denn betrachtet man die aktuelle Schuldenlast Ende des dritten Quartals, welche satte 58 Milliarden USD beträgt, stellt sich die Frage, wie man zukünftige Investitionen sowie laufende Kreditverbindlichkeiten finanzieren und tilgen soll.
Kapitalerhöhung
Im Zuge der ausgehenden Finanzierungsmittel hat der Flugzeugbauer nun nagekündigt, eine Kapitalerhöhung vorzunehmen. Dabei wollen sie 90 Millionen neue Aktien verkaufen, welche zu dem Zeitpunkt knapp 14 Milliarden Dollar wert sind. Weitere 100 Millionen Vorzugspapiere sollen weitere 5 Milliarden Dollar sichern. Der Gesamterlös wird sich aufgrund einer Abschlags unterhalb der 19 Milliarden USD befinden, sodass die neuen Aktien einen Anteil von 15% am Grundkapital ausmachen sollen. So soll das Investment-Grade-Rating gesichert sowie Streikkosten und Schulden in Höhe von über 11 Milliarden USD beglichen werden. Die Übernahme von Spirit Aerosystems verpflichtet Boeing zusätzlich zu einer Zahlung in Höhe von 4,7 Milliarden Dollar.
InvestingPro – Analyse
Aber wie wir alle wissen, handelt die Börse die Zukunft. Also- Wie sieht diese Zukunft nun aus? Mittels verschiedener InvestingPro-Tools kann man als Verfechter fundamentaler Kennzahlen fundierte Aussagen treffen und verschiedene Investmentrisiken abwägen.
Schaut man sich die aktuelle Situation an, stellt InvestingPro eine sehr treffende Zusammenfassung der aktuellen Probleme zur Verfügung.
Demnach gibt es verschiedene Aspekte:
1. Es bestehen möglicherweise Schwierigkeiten, Zinszahlungen auf Schulden zu bedienen.

Im Vergleich mit anderen Unternehmen in der Branche ist der Zinsdeckungsgrad von -2,3x miserabel.

Auch über die letzten Jahre hat sich der Anteil der Verschuldung an den Verbindlichkeiten bei über 40 Prozent festgefahren.

Das EBIT liegt deutlich unter den Zinsaufwendungen. Wenn die Gewinne weiterhin auf einem solch niedrigen negativen Level verharren, besteht die Gefahr der Insolvenz. Ein negativer Zinsdeckungsgrad kann auch schon kurzfristig elementare Folgen für die Kapitalbeschaffung sowie andere Geschäftsprozesse haben. Eine Kapitalerhöhung ist demnach mehr als überfällig geworden
2. Des Weiteren haben 17 Analysten ihre Ergebnisprognosen für die nächste Periode nach unter korrigiert- Diese erwarten für dieses Jahr einen Umsatzrückgang.
3. Boeing hat ziemlich niedrige Bruttogewinnmargen. Mit 3,6% liegt man deutlich unterhalb des Sektors, welcher eine Marge von 27,9% erwirtschaftet.

Auch im historischen Vergleich sieht man, dass das Unternehmen vor allem nach 2019 nicht nur Umsatz-Rückgänge hat, sondern die Bruttogewinnmargen noch deutlich volatiler reagierten.
4. Positiv ist jedoch immer noch die Stellung, welche Boeing innerhalb der Branche Raumfahrt und Verteidigungsindustrie hat. Diese Stellung ermöglicht es dem Unternehmen, weiterhin Kapitalgeber zu finden und Aufträge an Land zu ziehen.
5. Das Nettoeinkommen ist das größte Manko des Konzerns. Denn vor allem im Vergleich innerhalb der Branche ist die Netto-Umsatzprognose von -356,2% zu dem Durchschnitt von knapp 250% verheerend.

6. Das Unternehmen konnte die letzten 12 Monate keine Gewinne erzielen, Analysten erwarten für dieses Jahr realistischerweise ein Fortlauf des Trends.
7. Der letzte, für Investoren nicht unwichtige Faktor, ist das Problem mit den nicht gezahlten Dividenden. Denn Dividenden machen Unternehmen lukrativer, vor allem wenn diese in Schwierigkeiten stecken. In der aktuellen Lage, in welcher sich Boeing befindet, ist die Auszahlung von Dividenden aber lange nicht möglich.
Fair Value
Der Fair Value ist vor allem für Fundamentalisten eine wichtige, wenn nicht entscheidende Messgröße. Auch hierzu bietet InvestingPro eine schnelle und zuverlässige Methode, um die allgemeine Finanzlage zu bewerten.

Betrachtet man die Finanzlage, könnte es nicht viel schlechter sein. InvestingPro bewertet nahezu alle fünf Variablen mit dem schlechtesten Rating.
Den Fair Value bestimmen 12 verschiedene Finanzmodelle. Darunter befinden sich Discounted Cash Flow-Modelle für Growth, EBITDA sowie Revenue. Mittels Rechnungen, wie EV/Umsatz, EV/EBITDA, KGV und Kurs/Buch-Multiples erfasst InvestingPro die Stellung innerhalb der Branche, welche einen Fair Value Wert noch spezifischer anpasst.

Basierend auf den 12 Finanzmodellen wird der fundamentale Fair Value bei 124 USD, also einem weiteren Downside von knapp -10% angesetzt. Analysten-Kursziele, in welchem 24 Analystenmeinungen einbegriffen sind, bestimmen das Kursziel durchschnittlich bei 182,42 USD.
Insgesamt zeigen die 12 Finanzmodelle sehr gut auf, wie die Vergangenheit, beziehungsweise Gegenwart ungefiltert betrachtet aussieht. Es zeigt, dass Boeing aus einem guten Grund den Aktienrutsch erlebt, welcher sich über die letzte Zeit erstreckte. Die hohe Unsicherheit, begründet durch die schlechten Zahlen, verdeutlicht das Potential, welches nach unten noch möglich ist. Jedoch ist der Markt ein Geflecht aus vielen verschiedenen Marktteilnehmern und einer Wette auf die Zukunft.
Um das Fundament für die Zukunft zu identifizieren, hilft es uns die Lage der zukünftigen Finanzierungen anzuschauen.
WACC
Das CAPM WACC Modell (Weighted Average Cost of Capital) bestimmt wie teuer die Beschaffung von neuem Kapital für ein Unternehmen ist.

Durch eine WACC Range von 9,25% und 10,75% ergibt sich ein Selected WACC von 10,00%, welcher als Diskontsatz für die DCF-Analysen genutzt wird. Die Eigenkapitalkosten belaufen sich laut InvestingPro auf 11,6%, wohingegen die Fremdkapitalkosten bei 7,3% notieren.
Prognosen für EBITDA und Revenue

Die moderate Kapitalbeschaffungslage sowie die Stellung und grundlegende Unternehmensstruktur, welche Boeing an den Tag legt, ermöglicht Prognosen, welche positiver ausschauen – auch wenn es zugegebenermaßen schwer ist, jetzt noch schlechtere Zahlen zu erwirtschaften.
Demnach schätzt auch InvestingPro das nächste Jahr besser ein. Aufgrund des Basisjahres 2024 sehen die relativen Zuwächse zwar bedeutender aus als sie tatsächlich in absoluter Ausführung sind, und trotzdem wird ein 26,5 prozentiger Anstieg der Umsätze erwartet. Das EBITDA soll sich wieder deutlich verbessern und auf knapp 6,4 Milliarden USD belaufen. Entgegen der starken Nettoverluste in diesem Jahr lässt das wieder etwas aufatmen.
Aktuelle Analysten-Schätzungen
Nach Offenlegung der Bücher für das Q3 meldeten sich wieder einige große Analystenhäuser zu Wort: Goldman Sachs stufte Boeing als „Buy“ ein und belässt das Kursziel auf 200 USD. Das gleiche Statement mit einem Kursziel von 200 USD gibt auch das Analystenhaus Jefferies sowie die kanadische Bank RBC ab. Die UBS belässt ihr Kursziel auf 195 USD. Alle der vier Parteien begründen dies mit einer „soliden“ Auftragslage und mit dem Ende des Streiks, was die Produktion und so auch die Finanzlage massiv belastet hat.
Fazit – Boeing
Boeing hat einige schwere Zeiten durchmachen müssen und die Aktie hat zurecht gelitten. Es ist nicht etwa so, dass eine allgemeine Desinteresse an der Branche zu dem Abverkauf der Aktie führte. Es sind fundamentale finanzielle Probleme, welche sich zurecht im Aktienkurs bemerkbar machten.
Nun ist es jedoch so, dass die durch den Streik außergewöhnlich schlechten Daten das grundlegende Abwärtspotential der Aktie ausgeschöpft haben. Das Unternehmen steht schlecht dar. Der Altman Z-Score von 1,1 symbolisiert eine Insolvenz-Gefahr. Das ist auf die hohe Gesamtverschuldung und die hohen Nettoverluste zurückzuführen. Dass Boeing tatsächlich pleite geht, halten wir für unwahrscheinlich, wenn auch – im Falle falschen Managements- nicht als vollkommen auszuschließen. Die Kapitalerhöhung wird dem Unternehmen wieder etwas Rückenwind verschaffen. Auch die Aufnahme der Produktionsvorgänge wird das nächste Quartalsergebnis verbessern können.
Hoffnungen machen explizit die soliden Auftragseingänge und die anhaltende Marktnachfrage. Auch wenn die Streiks beendet sind, könnten zusätzliche Personalkosten, wieder anfachende Finanzsorgen katalysieren. Mit der Streichung der angedachten Stellen ist dies gegenzurechnen.
Ein Kauf wert?- Unsere Einschätzung
Nachdem die Aktie heute ein neues 52-Wochen-Tief gebildet hat, bleibt es unseres Erachtens nach abzuwarten. Die aktuelle finanzielle Lage ist de facto sehr schlecht und die Hindernisse sind noch nicht überwunden. Dennoch bleibt eines festzuhalten:
In der Aktie scheint nun alles eingepreist zu sein und nun ist der Zeitpunkt, wo Boeing so langsam einen Boden finden wird- oder schon gefunden hat. Der Fair Value liegt rein fundamental vermutlich noch etwas unter dem aktuellen Kurs, die außergewöhnliche Situation im letzten Quartal verfälscht die allgemeine Betrachtung jedoch etwas. Man sollte nun stark darauf achten, wie das Unternehmen weiter vorgeht und ob es den Auslieferungszielen gerecht werden kann. Die Performance-Entwicklung lässt bei guten Zahlen jedenfalls auch zum Rest der Branche viel Luft nach oben zu. Durch die allgemeine Marktpräsenz von Boeing dürften Anleger auch zunehmend auf den Zug springen, wenn der Stein erstmal ins Rollen gekommen ist.

Im nächsten Quartal, dessen Zahlen am 29. Januar bekannt gegeben werden, ist keine radikale Änderung zu erwarten. Und trotzdem können positive Nachrichten sehr schnell Volatilität und Bewegung in die Aktie bringen. In jedem Fall ist Boeing ein MUSS auf der Watchliste. Für langfristige antizyklische Investments dürfte der Flugzeugbauer eine höchstinteressante Investmentmöglichkeit bieten.
Wir verweisen auf unseren Haftungsausschluss Haftungsausschluss für Anlageberatung – EconomyGlobal, der deutlich macht, dass der vorliegende Artikel einzig und alleine zur Informationsbeschaffung dient und wir für keine Handelsverluste aufkommen werden.
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